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Warum Open Source eine gute Idee für deutsche Unternehmen ist

Open Source wird oft noch immer als Idee von Enthusiasten und Idealisten angesehen. Dabei bietet diese Idee viele Vorteile. Warum Unternehmen auf Open Source setzen sollen und wie sie von einer Open-Source-Strategie profitieren, möchte ich in diesem Artikel näher erläutern.

Der Anlass für diesen Beitrag ist der Vortrag von Herrn Prof. Dr. Dirk Riehle mit dem Thema “Softwareanwender der Welt, vereinigt euch!”. Dirk Riehle ist der erste Open Source-Professor Deutschlands und erforscht an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg neben der Open Source-Softwareentwicklung auch den Einsatz von Methoden aus der Open Source-Entwicklung innerhalb von Unternehmen. Er betreibt einen eigenen Blog, in dem er unter anderem über seine Forschung schreibt.

Was heißt eigentlich Open Source?

Um diese Frage zu beantworten, möchte ich zunächst mit einem Zitat der Open Source Initiative beginnen:

“Open source doesn’t just mean access to the source code”

Auch wenn der Zugriff auf den Quellcode vielleicht sogar das wichtigste Kriterium für Open Source Software ist, so muss sie weitere Kriterien erfüllen. Ein weiteres wichtiges Kriterium ist die für Menschen lesbare und verständliche Form des Codes. Verschlüsselungen oder andere Manipulationen des Quellcodes, sodass ein Mensch diesen nicht mehr entziffern kann, verletzen dieses Kriterium und entsprechende Software darf sich nicht mehr Open Source nennen. Desweiteren hat die Open Source Initiative zehn Kriterien aufgestellt, die Open Source Software erfüllen muss, um sich so nennen zu dürfen. So müssen Änderungen am Quellcode jederzeit erlaubt sein und die Software darf auch mit diesen Änderungen weiterverteilt werden. Dabei ist es unerheblich, wer diese Änderungen implementiert, da Open Source Software keine einzelnen Personen oder Personengruppen diskriminieren darf. Dasselbe gilt für einzelne Forschungs- und Anwendungsfelder, die auch nicht diskriminiert oder bevorzugt behandelt werden dürfen. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass keine Open Source Software z.B. mit einer Zivilklausel verteilt werden darf, auch wenn viele Entwickler dies gerne tun würden. Das war nur ein kleiner Auszug, wer sich über alle Kriterien informieren will, kann dies bei der Open Source Initiative selbst tun, wobei die Kriterienliste mit Anmerkungen für den Einstieg besonders empfehlenswert ist.

Open Source-Lizenzen kurz erklärt

Open Source Software lässt sich anhand ihrer Lizenz grob in zwei Kategorien einteilen:

  • Software, deren Änderungen am Quellcode unter derselben Lizenz veröffentlicht werden müssen wie das Original. Solche Softwarelizenzen nennt man Virale Lizenzen oder auch Lizenzen mit Copyleft. Die berühmteste Lizenz dieser Art ist die GNU General Public License, kurz GPL. Die Unterschiede anderer Lizenzen zur GPL liegen meist nur in der Definition von Codeänderung. Das Betriebssystem Linux ist ein Beispiel für Software, die unter solch einer Softwarelizenz verteilt wird.
  • Software, die dem Entwickler die Wahl geben, ob er Änderungen veröffentlicht und welche Lizenz er in diesem Fall verwendet, was auch eine geschlossene Lizenz sein kann. Solche Lizenzen nennt man freizügige Lizenzen. Bekannte Vertreter sind die MIT License und die Apache License, unter der unter anderem der Großteil des Mobilbetriebssystems Android stehen.

Wenn man sich unsicher ist, unter welcher Lizenz man den eigenen Quellcode verteilen soll, empfiehlt sich die Seite Choose a License, die Entwicklern eine Hilfestellung bei der Wahl der richtigen Lizenz gibt.

Vor- und Nachteile für Unternehmen beim Einsatz von Open Source Software

In einer Studie wurden im Jahr 2015 über 200 Organisationen in der Schweiz nach den wichtigsten Hinderungsgründen für den Einsatz von Open Source Software befragt. So müssten Mitarbeiter die eingesetzte Software akzeptieren und für deren Einsatz richtig geschult werden. Als weiterer Hinderungsgrund werden inkompatible Softwarelizenzen genannt. Allgemein wird die Copyleft-Natur von Lizenzen wie der GNU GPL genannt, die vielen Unternehmen Sorgen bereitet. Dennoch wiegen andere Gründe mehr als die bisher genannten. Zusammengefasst hindern einerseits fehlender Support und Haftung eines Zulieferers einige Unternehmen daran, auf Open Source zu setzen. Sie möchten meist aus wirtschaftlichem Interesse die Verantwortlichkeit bei Problemen von sich weisen oder schnell eine Lösung erhalten. Auf der anderen Seite gestaltet sich der Übergang schwierig, da Schnittstellen zu anderer Software fehlen, Abhängigkeiten zu proprietären Systemen vorhanden sind, seien es technischer oder wirtschaftlicher Natur, oder einfach das Fachwissen bzw. die Arbeitskraft fehlt, um die Software einzurichten und später zu warten. Die Studienautoren fassen ihr Ergebnis folgendermaßen zusammen: “Die wichtigsten vier Hinderungsgründe haben mehr mit der eigenen IT-Landschaft und den Erwartungen aus der proprietären Welt zu tun, als mit den Eigenschaften von Open Source Software.”

In derselben Studie wurden auch die wichtigsten Vorteile untersucht. Am wichtigsten ist zumindest Unternehmen und Behörden in der Schweiz die Unterstützung von offenen Standards, wie sie der Europäische Interoperabilitätsrahmen für eGovernment definiert. An zweiter Stelle steht der Kontakt zur Community, die meist bei Fragen zur Software hilft und so einen Enterprise Support ersetzen kann. Erst an dritter Stelle liegen Einsparungen z.B. durch fehlende Lizenzkosten. Direkt danach folgt die Unabhängigkeit von proprietärer Software, die teilweise mit den genannten Einsparungen verknüpft sind. Die Studienautoren führen an, dass geschlossene Software mit “geschlossene[n] Datenformate[n], die technisch an Anwendungen gebunden sind; Lizenzvereinbarungen, die restriktiv wirken und die Flexibilität z.B. bei Wechseln einschränken und Upgrade-Druck auslösen können” Eigenschaften hat, die vielen Organisationen ein Dorn im Auge sind. Viele Software-Unternehmen haben dies auch erkannt und veröffentlichen ihre Software unter einer Open Source-Lizenz, damit sie beispielsweise nicht mit Microsoft Windows ausgeliefert werden oder andere Monopole unterstützen müssen. Weitere Vorteile bestehen in der stetigen Weiterentwicklung der Software, die zu einer höheren Sicherheit, einer höheren Stabilität und stetiger Innovation führt.
Diese Studie zeigt also, dass Organisationen, zumindest in der Schweiz, sich durchaus bewusst sind, dass der Einsatz von Open Source Software zwar Nachteile haben kann, die Vorteile auf der anderen Seite aber auch nicht nur aus Kosteneinsparungen bestehen.

Die Situation in Deutschland

Nicht nur die Big Player aus dem Silicon Valley wie Google, Apple, Facebook, Twitter oder auch seit einigen Jahren Microsoft nutzen oder entwickeln Open Source Software. Auch deutsche Unternehmen haben ihre Bedeutung schon lange erkannt. Bereits 2007 gaben 59% aller deutschen Befragten einer internationalen Studie zum Einsatz von Open Source Software an, dass sie diese im Unternehmen nutzen würden. Eine aktuellere Studie aus dem Jahr 2015 hat ergeben, dass alle 30 Unternehmen im DAX, wozu Firmen wie ThyssenKrupp, die Deutsche Telekom, die Deutsche Post, SAP und Siemens gehören, Open Source Software selbst nutzen und teilweise auch eigene Software frei zur Verfügung stellen. Die Deutsche Bank will den Code ihrer Handelsplattform “Autobahn” veröffentlichen und ihn so anderen Unternehmen zur Verfügung stellen. Sie verspricht sich dadurch, dass “Handelstransaktionen reibungsloser und schneller ausgeführt werden, die mit verschiedenen Systemen bearbeitet werden.” Bereits 2011 hat sich mit der Open Source Business Alliance ein Interessenverband gebildet, der sich um die Unterstützung von Open Source Software in Unternehmen und der öffentlichen Verwaltung bemüht. Als Ziel wird unter anderem genannt, dass die IT-Industrie in Deutschland und Europa in eine Führungsrolle gebracht werden soll. Diesem Verband gehören neben großen Unternehmen wie IBM und der Deutschen Telekom auch viele mittelständische Unternehmen und Organisationen aus der öffentlichen Verwaltung an, wie z.B. die Senatsverwaltung für Inneres und Sport in Berlin.

Trotz der großen Verbreitung und der Bemühungen vieler Unternehmen hat Open Source Software immer noch mit gewissen Schwierigkeiten zu kämpfen. So haben viele kleine und mittelständische Unternehmen keine Ressourcen, um ihre IT-Infrastruktur selbst zu verwalten, was ein wichtiges Kriterium ist, um Open Source Software nutzen zu können. Sie setzen deshalb auf proprietäre Software, die meist von einem externen Dienstleister installiert und gewartet wird. Selbst die fehlenden Lizenzkosten sind nicht Grund genug auf Open Source zu setzen. Außerdem ist in der Wirtschaft Open Source Software weiter verbreitet als in der öffentlichen Verwaltung. Deutschland hinkt hier anderen europäischen Ländern hinterher, wie ein Vergleich zeigt. In den USA sind staatliche Einrichtungen wie die NASA dazu verpflichtet, mindestens 20% ihres selbstentwickelten Codes unter einer Open Source-Lizenz zu veröffentlichen. Die Gründe für den geringen Einsatz in deutschen Behörden liegen wie im Fall LiMux meist in politischen Entscheidungen begründet. Bereits die letzte Große Koalition hat angekündigt sich für den Einsatz von Open Source in Behörden einzusetzen, geschehen ist nicht viel.

Darum ist Open Source eine gute Idee für deutsche Unternehmen

Auch wenn Open Source Software manchen Unternehmen Schwierigkeiten bereitet, so überwiegen die Vorteile beim Einsatz meistens. Neben dem offensichtlichen Grund der fehlenden Lizenzkosten befreien sich viele Unternehmen durch ihren Einsatz von Zulieferern, die proprietäre Systeme verkaufen, und erhöhen so ihre Flexibilität. Dieser Umstand ist in der modernen Wirtschaft sehr wichtig, um sich schnell auf neue Herausforderungen einstellen und Probleme aufgrund einer statischen IT-Infrastruktur abwenden zu können. Sie durchbrechen hier Monopole in verschiedenen Bereichen der Infrastruktur und erhöhen aufgrund der stetigen Weiterentwicklung der Software ihre Innovationskraft. Nicht zu vernachlässigen sind außerdem die allgemein höhere Sicherheit gegenüber Angriffen durch Hacker und die Stabilität der Systeme aufgrund dieser stetigen Weiterentwicklung. Den fehlenden Support durch eine Firma, wie es bei proprietärer Software meist der Fall ist, macht die Gemeinschaft wett, die meist aus den Entwicklern selbst besteht. Sie können durchaus bessere Hilfe leisten, da sie Einblick in den Code haben, den sie auch selbst geschrieben haben.

Für IT-Unternehmen ist es zudem sinnvoll, zumindest Teile des selbstentwickelten Codes unter eine Open Source-Lizenz zu stellen und auf einer Plattform wie GitHub zu veröffentlichen. Start-Ups wie Zalando gehen hier mit gutem Beispiel voran. Neben Prestige erhalten Unternehmen hierdurch auch Unterstützung bei der Entwicklung neuer Features oder der Behebung von Fehlern. Außerdem können sie durch diese Maßnahme talentierte Entwickler finden und dann fest anstellen, anstatt umständliche Recruiting-Prozesse aufrecht zu erhalten.

Open Source hat unser Leben durchdrungen. Viele Geräte beruhen ganz oder teilweise auf Open Source Software. Das Internet beruht auf Open Source Software. Viele Programme sind Open Source. Nicht nur Kunden bzw. Privatpersonen profitieren von Open Source. Deutsche Unternehmen, aber auch Behörden, sollten diese Entwicklung nicht verpassen.

Anmerkung: Dieser Beitrag erscheint parallel auch im Blog der Veranstaltung “Open Technology for an Open Society” der Freien Universität Berlin.

Über den Autor

Nerd seit 1993. Arbeitet als Software Engineer und zockt gerne.